Quilitz oder Neu-Hardenberg

Nun König Edward flieh,
Hier halt‘ ich fest die Feinde dein,
Hier glückt es, oder nie.

G. Hesekiel

Selig, wem Tatkraft und behaglichen Sinn leiht Gegenwart,
Wer neu sich fühlt, Neues zu bilden bedacht ist.

Platen

Die Geschichte von Quilitz bis zum Jahre 1763 hin ist arm und dunkel. Der Besitz wechselte vielfach, […] Um 1685 kam Quilitz, und auch wohl das benachbarte Kloster Friedland, in Besitz der Markgräflich-Schwedter Linie des Hauses Brandenburg, und verblieb bei dieser Linie bis zum Tode des Markgrafen Karl, 1763.

[…]

Einigermaßen Leben und Farbe gewinnt die Geschichte von Quilitz erst mit dem Jahre 1763, und wir wenden uns deshalb, mit Übergehung alles dessen, was vorher liegt, dieser Epoche zu.

Quilitz von 1763 bis 1814

[…]

Neu-Hardenberg (Quilitz) seit 1814

[…]

Unser letzter Besuch gilt der Kirche.

Sie wurde, wie schon bemerkt, in den Jahren 1816 und 1817 durch Schinkel restauriert und im Oktober 1817 eingeweiht. Schinkel ließ von dem alten Bau wohl nur die Umfassungsmauern stehen; – der Turmaufsatz, das Mausoleum und das Innere der Kirche selbst sind sein Werk. Der Turm ist ein Kuriosum. Auf dem Unterbau desselben, der etwa bis an den Dachfirst reicht, hat er eine kleinere Etage aufgesetzt, dieser Etage aber nicht die Form eines Würfels, sondern eines niedrigen, von zwei Seiten her zusammengepreßten Zylinders gegeben.

Die von Schinkel umgebaute Kirche in Neuhardenberg

Das Ganze sieht nicht nur aus, sondern entspricht auch den Proportionen, wie wenn man ein ovales Serviettenband auf eine oblong geformte Teebüchse stellt. Wie Schinkel zu dieser Sonderbarkeit gekommen ist, ist schwer zu sagen. Er hielt viel vom ausprobieren. Erwiesen ist, daß er Dinge, die gezeichnet seinen Beifall hatten, hinterher änderte, weil er fand, daß sie sich in Wirklichkeit anders ausnahmen als im Bilde. Diese häufige Wahrnehmung ließ ihn vielleicht sagen: »So vieles, was die Theorie gutheißt, macht sich hinterher schlecht; sei’s drum einmal versucht, ob nicht das, was die Theorie verwirft, sich hinterher gut mache.« So setzte er, wenn wir überhaupt richtig erklärt haben, eine elliptische Etage auf einen oblongen Unterturm. Aber freilich war es ein mißglückter Versuch. Wir zweifeln nicht, daß er ihn später selber als solchen angesehen hat.

An der entgegengesetzten Giebelwand der Kirche befindet sich ein auf dorischen Säulen ruhendes Giebelfeld: das Mausoleum. Es verhält sich zu einem frei und selbständig dastehenden Bau etwa wie sich ein Hautrelief zu einer vollen, plastischen Figur verhält, steckt zu größerem Teil in der Kirchenwand drin und bildet eigentlich bloß eine Mausoleumsfront.

Bei unserem ersten Besuch hat das Wetter leider verhindert, daß wir auch die Rückseite der Kirche und das beschriebene Mausoleum fotografieren. Zu dunkel und zu naß …

Das Innere der Kirche, – an den Berliner Dom erinnernd und in der Tat um dieselbe Zeit aufgeführt (1817), in der Schinkel die Restaurierung des Domes leitete, – ist hell, geräumig, lichtvoll, und wenig nüchtern. Das Ganze mehr ein Betsaal, als ein Kirchenschiff.

Altar der Kirche Neuhardenberg

Eigentümlich ist der Altar. Hinter demselben, die Kirche chorartig schließend, erhebt sich eine hohe Nischenwand, deren halbkreisförmige Fläche durch gemalte Säulen in fünf Felder geteilt wird. Aus dem Mittelfelde springt die Kanzel hervor, nach rechts und links hin von je zwei Feldern flankiert. In diesen befinden sich die Kolossalfiguren der vier Evangelisten,

Johannes und Lukas zur Linken

und zwar Johannes und Lukas zur Linken, Matthäus und Markus zur Rechten der Kanzel.

Matthäus und Markus zur Rechten

Die Bilder sind von ungleichem Wert: Matthäus, Johannes, Lukas lassen viel zu wünschen übrig; der Markus aber ist im ganzen genommen vorzüglich. Sie rühren von einem gewissen Bertini her, den der Staatskanzler – bekanntlich ein Mäzen der schönen Künste – nach Italien schickte, um diese Bilder nach den Vorbildern großer Meister zu fertigen. Trotz ihrer Mängel bilden alle vier einen Bilderschmuck, wie er derart in märkischen Dorfkirchen schwerlich zum zweiten Male gefunden wird.

Der Altar der Kirche weist noch eine andere Sehenswürdigkeit auf: das Herz des Fürsten-Staatskanzlers.

Der Schrein mit dem Herz ist etwas versteckt in die Rückseite des Altars eingelassen.

Schrein mit dem Herzen
Auf einem Kissen ruht es, von einer Glasglocke umschlossen.

Auf einem Kissen ruht es, von einer Glasglocke umschlossen.

 

 

 

 

 

Der Schrein aber, der das Ganze birgt, trägt an seiner Außenseite folgende Strophe:

Vers zum Andenken an den Fürsten

Diese Strophe, die dem Andenken des Fürsten eine maßvolle und wohlverdiente Huldigung darbringt, böte eine schickliche Gelegenheit, wenigstens den Versuch einer Charakteristik zu wagen. Ich nehme aber Abstand davon. Was ich sagen könnte, ist oft gesagt; Neues, Schärferes, Zutreffenderes kann nur von denen erbracht werden, die im Vollbesitz des Materials sind. Eine solche Charakteristik des Fürsten gehört der Zukunft an. Eines aber möge schon heute hier seinen Ausdruck finden, die Überzeugung, daß Hardenberg ein ausgewählter Mann war, dem, nach dem Willen Gottes, die Aufgabe zufiel, die Rettung unseres Vaterlandes glücklich durchzuführen. Selbst seine Schwächen leisteten dieser Aufgabe Vorschub. Ein bloßer sans peur et sans reproche – etwa wie Stein oder Marwitz, zu denen wir freilich freudiger und gehobener aufblicken – hätte es mutmaßlich nicht vermocht. Der Fürst war kein sans reproche, seine Fehler liegen klar zutage, und man braucht, wie einer seiner Biographen sich ausdrückt »kein moralischer Herschel zu sein, um diese Fehler mühelos zu entdecken.« Aber diese Mischung von Edlem und minder Edlem, von Schlauheit und Offenheit, von Nachgiebigkeit und Festigkeit, war genau das, was die Situation erheischte. Eigensinn und Prinzipienreiterei hätten uns verdorben. Sein Leben, Vorbild oder nicht, hat uns gerettet. Wie er selber in Bescheidenheit hinzusetzen würde »durch die Gnade Gottes«.


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