Das Kleine blieb,
Das Große ist vergessen.
Die Zeit verfließt, wohl hundert Jahr
Verflossen unterdessen.Etwa eine halbe Meile vom Westrande des Oderbruchs entfernt liegt Möglin, ein nur zwölf Häuser zählendes, weder durch Größe noch Bodenbeschaffenheit ausgezeichnetes Dorf, dem nichtsdestoweniger der Ruhm zufiel, in alter und neuer Zeit unter den historischen Dörfern des Landes genannt zu werden.
Drei Jahrhunderte lang lebten hier die im Ober-Barnim reichbegüterten Barfuse, […]
Die kleine Feldsteinkirche (ohne Turm) ist aus der ersten christlichen Zeit und stand hier um vieles früher, als die Barfuse nach Möglin kamen. In der Kirche selbst aber, aus verhältnismäßig später Zeit, hängt ein Wappenschild des alten Geschlechts,schmucklos, grün und rot übermalt und mit der Umschrift: »Alexander von Barfus, geboren 1580 den II. Decembris, gestorben den 19. Decembris 1647«. Wahrscheinlich ein Onkel, vielleicht auch der Großvater Hans Albrechts.
Die Pfuels, die Möglin in ältester Zeit besaßen, hatten es hundert Jahre, die Barfuse dreihundert inne. Dazwischen lag ein Interregnum, das zwanzig oder dreißig Jahre gedauert haben mag und von dem wir, mit Hilfe des Schloßregisters von 1450, nur erfahren, »daß in Möglin ein Schäfer war«. Das klingt wie eine Verheißung für die Zukunft und der Schäfer von 1450 erscheint uns fast wie der Schatten, den Albrecht Thaer, »der Mögliner Schäfer par excellence«, durch vier Jahrhunderte rückwärts wirft. Ihm, der dem Namen »Möglin« zu einem weit über die Grenzen unseres Landes hinausgehenden Ruhme verholfen hat, wenden wir uns nunmehr ausführlicher zu.
Die in den Wanderungen jetzt folgende ausführliche Darstellung des Lebens und Wirkens von ⇒Albrecht Daniel Thaer überspringen wir und
wenden uns […] der Stätte zu, wo er gelebt.
Möglin, auch äußerlich genommen, ist, wenn man den Ausdruck gestatten will, »nur Thaer«, und in diesem Umstande liegt sein Reiz und seine Eigentümlichkeit.
Einen ersten Eindruck über die Bedeutung von Thaer für Möglin bekommen wir schon auf dem Weg in den Ort. Die Wegweiser zeigen nicht nur nach „Möglin“ sondern nach „Thaer in Möglin“. Die Orientierungshilfe am Thaer-Museum gibt einen Überblick über die Vielzahl an Hinterlassenschaften des Gelehrten.

Auch im Ort finden wir immer wieder Erinnerungen an den berühmten Einwohner.


Im übrigen wirkt das ganze Dorf fast wie eine Überraschung. Etwas in der Tiefe gelegen und durch keinen Kirchturm in die Weite hin verraten,
In der Tat versteckt die Kirche sich auch heute noch hinter den Bäumen.

tritt man plötzlich, unter alten Bäumen hindurch, wie in ein Kamp, eine Niederlassung ein, und hat hier, malerisch gruppiert, alles zusammen, was zur Bedeutung und zur Poesie des Ortes gehört.
Den Mittelpunkt des Ganzen bildet ein Teich, den nach rechts hin hohe Schilfwände, nach links hin hohe Erlenbäume umfassen. Diesseits des Teiches, neben der Stelle, wo wir uns befinden, steht die alte Feldsteinkirche, von einer Linde, die nicht viel jünger sein mag als die Kirche selbst, überschattet. Jenseits des Teiches, freundlich blinkend im Schmuck eines angebauten Glashauses, steht das Wohngebäude, dahinter ein Haus von ähnlicher Größe – die ehemalige Akademie. Die Wirtschaftsgebäude, darunter die berühmte Stammschäferei, verstecken sich zum Teil hinter den hohen Bäumen, die den engen Kreis des Bildes: Teich, Kirche, Wohnhaus, Akademie, umzirken.
Neben der Kirche stehend finden wir genau dieses Bild wieder. Ein See, der linkerhand von Bäumen und auf der rechten Seite von Schilf gesäumt wird. Im Hintergrund das Wohngebäude mit dem Wintergarten.

Im August 2019 bietet sich sich die gleiche Perspektive mit deutlich mehr Laub an den Bäumen.
Von den Wirtschaftsgebäuden neben dem Wohnhaus sieht man in der Tat von hier aus nicht viel. Sie verbergen sich hinter den Bäumen rechts im Hintergrund. Ob, wie Fontane schreibt, darunter auch die Stammschäferei ist oder die nicht doch, wie auf der Übersichtstafel gezeigt, hinter uns liegt, bleibt noch zu klären.

Persönlichkeiten, von zum Teil hervorragender Stellung in Leben oder Wissenschaft, drängten sich an dieser Stelle während der letzten fünfzig Jahre, und so darf es nicht Wunder nehmen, daß jeder Fußbreit Erde hier seine Erinnerungen hat. Am Südrande des Teichs, der Kirche zunächst, fällt uns eine Erdpyramide auf, von Blumen überdeckt und terrassenförmig sich zuspitzend.Es ist ein Grabhügel.
Das Grab von Albrecht Thaer befindet sich noch immer hinter der Kirche.

Jetzt allerdings mit Eisenzaun und ohne Grabhügel.

Unter ihm ruht Albrecht Thaer, und auf den Treppenstufen des Hügels, der mehr ein Blumengarten als ein Grab ist, blühen den Sommer hindurch viele hunderte von Blumen.
Da unser Besuch nicht in den Sommer fiel, konnten wir nicht die Blumenpracht, von der Fontane spricht, suchen. Dennoch gab es die ersten Frühjahrszeichen.

Am Westrande des Teichs bemerken wir den zersplitterten Stamm eines vom Winde abgebrochenen Baumes. Das sind die Überbleibsel der »Herzogsweide«, die hier stand.
Davon finden wir natürlich nichts mehr, auch wenn sich am Westrand des Sees heute noch Bäume in den See neigen.

Beim zweiten Besuch im August 2019 dann auch mit frisch ausgebildeten Rohrkolben am Schilf

Zu den ersten Freunden und Genossen Thaers, bei seiner Übersiedelung nach Möglin, gehörte der Herzog von Holstein-Beck, damals ein Mann von nah an fünfzig, ein Vertrauter des Kaisers Paul, wie er vorher ein Freund des Rheinsberger Prinzen Heinrich gewesen war. Der Herzog lebte monatelang als Mögliner Gast, und diese Weide am Teich war sein bevorzugter Aufenthalt, wo er zu sitzen und zu sinnen liebte. Es durfte wohl so sein. Die Zweige des Baumes hingen in den Teich nieder, das blaugraue Laub war doppelt schön auf einem Hintergrunde dunkler Erlen, und der an der Wurzel sieben Fuß dicke Stamm teilte sich höher hinauf in zwei Stämme. Zwischen diesen hatte der Herzog seinen Platz. Beim Abschied schrieb er, in dankbarer Erinnerung an die hier verträumten Stunden:
Gedenket auch an dieser Stelle
Des Freundes, der hier oftmals saß,
Und bei dem stillen Spiel der Welle
Die weite Welt um sich vergaß.Es wird sein Geist euch hier umschweben,
Sein Dank an eurer Seite sein;
Hier erst erfaßt‘ er wahres Leben
Und lernte, schaffend, glücklich sein.Das Wohngebäude, reich an Erinnerungsstücken aller Art, an Bildern und Büsten, ist fast eben so sehr ein Thaermuseum, als ein Wohnhaus.
Heute ist die Ausstellung auf ein modernes Austellungsgebäude und das Akademiegebäude aufgeteilt. Die Öffnungszeiten in der Vorsaison haben bei unserem ersten Besuch im März 2017 verhindert, daß wir uns damit befassen konnten. Bei einem weiteren Besuch im August 2019 können wir das Innere besichtigen.
Auf Namhaftmachung dieser Erinnerungsstücke, meist Darbringungen von nah und fern, leisten wir hier Verzicht; ebenso auf eine Schilderung des Akademiegebäudes, der Lehr- und Wohnzimmer, der Bibliothek und der naturwissenschaftlichen Sammlungen, die sich darin vorfinden.
Wir verweilen nicht bei diesen Dingen, die, trotz ihrer Einfachheit, an die glänzendste Periode der Akademie erinnern, wir treten lieber aus den öden Zimmern wieder ins Freie, wo ein zierlicher in Front des Gebäudes aufsteigender Obelisk uns ein schönes Fest zurückruft, das hier gefeiert wurde. Die Inschrift bezeichnet die Art des Festes. Sie lautet: »Zur Erinnerung an das fünfzigjährige Bestehen der landwirthschaftlichen Akademie zu Moeglin, im Oktober 1856.« An der andern Seite befindet sich Thaers Reliefbild; darunter die Namen aller Schüler, die zur Errichtung dieses Denksteins beitrugen.
Der Obelisk steht heute nicht mehr an seinem Platz.
Diese Feier, wie sie das halbhundertjährige Bestehen bezeichnete, bezeichnete doch auch zugleich den »Anfang vom Ende«. Und vielleicht war es diese Stimmung, die dem Feste eine besondere poetische Weihe gab. Viele waren gekommen, alt und jung, um dieser Stätte und dem Gedächtnis des Mannes, der hier in seltenem Maße segensreich gewirkt hatte, ihren Dank darzubringen. Und dieser Dank fand in dem Liede eines jüngeren Festgenossen seinen Ausdruck. Das Lied selbst, das wir aus dem Gedächtnis wiedergeben, lautete:
Es steht in preuß’schen Landen
Ein Kirchlein alt und stumm,
Und rings an seinen Wanden
Schlingt Efeu sich herum.Und Schatten streut die Linde,
Ein uralt mächt’ger Stamm,
Die grüne Kron‘ im Winde
Sie neigt sich dann und wann.Und neben dieser Stelle,
Da liegt der schöne Teich,
Es plaudern mit der Welle
Die Zweige allzugleich.Und zwischen Teich und Linde,
In Stufen auf und ab,
(Kein schöner Grab ich finde)
Da liegt ein Blumengrab.Und drunter schläft in Frieden,
Nach ruheloser Bahn,
Ein Mann, dem viel beschieden,
Der viel geschafft, getan.Er hat den Sieg erstritten
In Arbeit und in Ehr,
Er ist vorangeschritten –
Wir folgen Vater Thaer.Wir aber nehmen Abschied jetzt von dieser Stätte und von Möglin. Unser Heimweg führt uns an dem Grabhügel vorüber, der in Blumen steht, rot und weiß, als gäb‘ es keinen Herbst und kein Scheiden.

Die alte Steinkirche daneben, die schon so vieles überdauert, wird vielleicht auch diesen Hügel überdauern, aber nicht das Andenken an ihn, der unter diesem Hügel schläft.
Hat sie:
