Wer hat nicht von Kaputh (so heißt das Dorf) gehöret,
Das, in verwichner Zeit, die größte Zier besaß,
Als Dorothea sich, die Brandenburg noch ehret,
Das Schloß am Havelstrom zum Witwensitz erlas.
Bellamintes: »das itz-blühende Potsdam.«
Man hat bei diesem Schiff das Schiff sich vorzustellen,
Mit dem Kleopatra, in göttlicher Figur
So einer Venus glich, auf Cydnus blauen Wellen
Zu dem Antonius, als ihrem Bacchus, fuhr.
Ebendaselbst.
Die Sonne war eine halbe Stunde unter, als wir wieder diesseits des Schwielow standen; es war keine Zeit mehr für Kaputh; die schmale Mondessichel reichte nicht aus; – die Stunde war verpaßt. So sahen wir uns denn vor die Alternative gestellt, ob wir, mit der Chance den letzten Zug zu versäumen, unseren Rückweg antreten oder coûte que coûte in Kaputh übernachten wollten. Ich tat die entsprechende Frage, meine Bedenken hinsichtlich des Nachtlagers nicht verschweigend.
Unser Führer (der Leser wird sich freundlichst seiner entsinnen) sah mich leise vorwurfsvoll an und erwiderte dann ruhig: »Sie kennen Boßdorf nicht.«
»Nein.«
»Nun, es ist Liebhaberei, dass er hier festsitzt. Er hat das beste Bier und die besten Betten. Von allem andern rede ich gar nicht. Boßdorf ist ein Name in diesen Gegenden.«
»Gut denn. Also Boßdorf!«
Der Caputher Heimatverein hat erkundet, wo der märkische Wanderer am Schwielowsee Station machte (Potsdamer Neueste Nachrichten vom 3.Mai 2005)
Für die Unterkunft sprach auch die Nähe zur Fährstelle, so dass Fontane schnell in den Genuss jener Annehmlichkeiten gelangte. Anfang des 19. Jahrhunderts war ein Boßdorf als Amtsbraumeister in den Ort gekommen, wo er das Areal in der Weinbergstraße kaufte, eine Brauerei und eine Gaststätte in der Nummer 11 gründete, wie Heinz Schmal recherchierte. Bier und Rede seines aus Berlin stammenden Nachfahren Heinrich Boßdorf lullten Fontane in den Schlaf. Das Relief am rückwärtigen Giebel, eine Frau mit Trinkkrug, könnte bereits vorhanden gewesen sein – ein deutlicher Hinweis auf eine Schankwirtschaft.

Heute ist es ein Wohnhaus.

An der Hausfront steht eine Linde, ob es der von Fontane erwähnte Frühstücksbaum oder ein Austrieb ist, sollte durch Schmal noch festzustellen sein.
Den Lindenbaum finden wir bei unserem Besuch im Februar 2018 nicht mehr und auch
Den Staketenzaun gibt es nicht mehr, hinter dem Fontane das still-geschäftige Dorfleben und „eine animierte Gesellschaft“ betrachtete, deren Kremser „im nächsten Augenblicke … in einer Querstraße des Dorfes“ verschwand. Das müsste die heutige Straße der Einheit gewesen sein, deren Einmündung von der Weinbergstraße einsehbar ist.


Auch wenn an dieser Stelle heute keine Gastwirtschaft mehr zu finden ist, verhungert man in Caputh nicht.

Weiter geht es bei Fontane
Diese Unterredung war zwischen Fährstelle und Dorf geführt worden;



als wir eben schlüssig geworden, hielten wir vor dem Gegenstand unseres Gesprächs. Er reichte vielleicht nicht voll an die Höhe heran, die ihm der Lokalpatriotismus unseres Freundes anzuweisen trachtete, aber er hatte doch, wie ich auf der Stelle wahrnehmen konnte, die unerläßlichste aller Wirtseigenschaften: er war freundlich. Sein Bier und seine Rede lullten mich ein und ich schlief bis an den hellen Tag. Nur einmal wacht‘ ich auf; ich glaubte in einem Trichter zu liegen (was auch zutraf) und hatte geträumt, der Schwielow habe mich in seine Tiefe gezogen.
Unter einem Lindenbaum in Front des Hauses wurde der Kaffee genommen; die Spatzen musizierten über mir; endlich, als sie ihren Mann durchschaut, hüpften sie vom Gezweige nieder auf den Tisch und nahmen, nach dem Maße meiner Guttat, an meinem Frühstück teil. Ich konnte es ohne Opfer tun; es waren Semmeln in großem Format. Jenseits des Staketenzaunes ging das Leben des Dorfes stillgeschäftig seinen Gang: junges Volk, die Sense auf der Schulter, eilte zur Mahd hinaus; Kinder mit Erdbeeren kamen aus dem Walde; Schiffersleute, in weiten Teerjacken, schritten auf den See zu. Ein anmutiges Bild. Ich verstand jetzt Boßdorf vollkommen und warum er hier festsitzt.
Der Staketenzaun ist an dieser Stelle verschwunden, findet sich aber an vielen anderen Gärten.

Ein Wagen fuhr vor, ein vollgestopfter Kremser. Vormittagsgäste; unverkennbar eine animierte Gesellschaft. Ältliche Herren, junge Damen; aber nicht zu jung.
Boßdorf sprang an den Wagen. Als er wieder an mir vorbei wollte, suchte ich ihn zu fassen und fragte leise: »Potsdamer?« Er aber – mit einer Handbewegung, in der sich eine Welt widerstreitender Empfindungen: Diensteifer und Geschmeicheltsein, Verlegenheit und ironische Schelmerei aussprach – antwortete im Vorüberfliegen: Berliner.
Berliner. Es gereichte meiner Menschenkenntnis wenig zur Ehre, diese Tatsache auch nur einen Augenblick verkannt zu haben.
…
Vor mir, am Staket, hielt eine … Landpartie. Zwei Herren, Fünfziger, mit großen melierten Backenbärten, Lebemänner aus der Schicht der allerneuesten Torf- und Ziegelaristokratie, sprangen mit berechneter Leichtfüßigkeit vom Wagen und gaben dadurch Gelegenheit, das im Wagen verbliebene Residuum der Gesellschaft besser überfliegen zu können. Das meiste war Staffage, bloße Najaden und Tritonen, die als Beiwerk, auch wohl als Folie notwendig da sein müssen, wenn Venus aus den Wellen steigt. Wem die Rolle der letztern oblag, darüber konnte kein Zweifel sein. Sie war dreißig, überthronte das Ganze, trug das Haar kurz geschnitten à la Rosa Bonheur und hielt eine große italienische Laute auf ihren Knien. Übrigens war sie wirklich hübsch; alles im Brunhildenstil; dieselbe weiße Hand, die jetzt auf der Laute ruhte, hätte auch jeden beliebigen Stein fünfzig Ellen weit geschleudert.
In diesem Moment, ehe ich noch den Kremser völlig durchmustert hatte, erschien Boßdorf mit einem großen Tablett. Es war ein Morgenimbiß, der für den Rest des Tages einige Perspektiven eröffnete: vier Kulmbacher, vier Werdersche, mehrere Kognaks und eine Pyramide von Butterbroten. Alle Macht ist ein Magnet; – Boßdorf präsentierte der Lautenschlägerin zuerst. Diese, ohne weiteres, machte eine halbe Schwenkung, glitt, nicht ohne einen Anflug von Entsagung über die kleinen Gläser hin, nahm eine Kulmbacher, prüfte das Verhältnis von Schaum und Saft, und trank aus. Ohne abzusetzen. Als ihr Boßdorf die Butterbrotseite des Tabletts zudrehte, nickte sie abwehrend.
In kürzester Frist war übrigens das Tablett leer, nicht alle waren wählerisch; die Entrepreneurs eilten zu ihren Plätzen; die Pferde zogen an. Ein Lindenzweig streifte noch huldigend die Stirn der Primadonna; im nächsten Augenblicke verschwand der Kremser in einer Querstraße des Dorfes. Ich horchte ihnen nach. Es war mir, als trüge der Wind herüber: »Im Wald, im schönen, grünen Wald« und dazwischen verlorene Lautenklänge.
…
Ich war nun wieder allein und wollte bereits – was immer einen äußersten Grad von Verlegenheit ausdrückt – zu den »Territorien der Mark Brandenburg«, einer Art märkischem Bädeker, meine Zuflucht nehmen, als das Erscheinen unseres freundlichen Führers vom Tage vorher meiner Verlegenheit ein Ende machte und mich aus der toten Aufzeichnung in das frisch pulsierende Leben stellte. Wir schlenderten am See hin, das Dorf entlang, an Schloß und Park vorbei; es war eine anmutige Vormittagsstunde, anregend, lebendig, lehrreich.

Auf Grund der doch sehr frischen Temperaturen im Februar, folgen wir Fontane hier nicht, sondern begeben und direkt zum Schloss, um die in den Wanderungen beschriebene Innenausstattung des Schlosses zu suchen.
…
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