Das Wustrauer Luch
Es schien das Abendrot
Auf diese sumpfgewordne Urwaldstätte,
Wo ungestört das Leben mit dem Tod
Jahrtausendlang gekämpfet um die Wette.Lenau
Der Rhin, dessen Bekanntschaft wir in einem voraufgehenden Kapitel machten, nimmt auf der ersten Hälfte seines Weges seine Richtung von Nord nach Süd, bis er, nach Passierung des großen Ruppiner Sees, beinah plötzlich seinen Lauf ändert, und rechtwinkelig weiter fließend, ziemlich genau die Südgrenze der Grafschaft zieht. Auf dieser zweiten Hälfte seines Laufes, Richtung von Ost nach West, gedenken wir ihn in diesem und den nächsten Kapiteln zu begleiten, dabei weniger ihm selbst als seinen Dörfern unsere Aufmerksamkeit schenkend.
Das erste unter diesen Dörfern ist Wustrau, das wir bereits kennen. Nicht aber kennen wir das gleichnamige Luch, das der Rhin hier, unmittelbar nach seinem Austritt aus dem See, auf Meilen hin bildet, und diesem »Wustrauer Luch« gilt nunmehr unsere heutige Wanderung.
Wir beginnen sie vom Zentrum des Fehrbelliner Schlachtfeldes, von dem hochgelegenen Hakenberger Kirchhofe aus, und steigen, nach einem vorgängigen Überblick über die Torf- und Wiesenlandschaft, an die Rhinufer nieder. Kahnfahrten werden uns aushelfen, wo Wasser und Sumpf jede Fußwanderung zur Unmöglichkeit machen.
Quelle: Wikimedia Commons
Unser nächstes Ziel aber ist eine zwischen den Dörfern Wustrau und Langen gelegene »Faktorei«, deren rotes Dach hell in der Sonne blitzt.
Während Fontane sich nach Nordosten wendet, gehen wir erstmal in die andere Richtung zwei Denkmäler besichtigen, die Fontane nicht erwähnt.

Das kleine Denkmal zu der Schlacht, das schon zu Fontanes Zeit stand.

Das große, die „kleine Siegessäule“ gab es damals noch nicht.
[es folgt die Beschreibung der Fahrt durch das Luch, die wir noch offen lassen]
Endlich aber hielten wir. Wir hatten den ersehnten Nordrand erreicht, und die Sonne, die, sich durchkämpfend, eben ihren Friedensbogen über das Luch warf, vergoldete den Turm des Dorfes Langen vor uns und zeigte uns den Weg.
Der Kirchturm (wir haben noch nicht recherchiert, dass das der goldene wirklich der Kirchturm war) zeigt sich heute nicht golden.

In wenigen Minuten hatten wir das Wirtshaus erreicht, bestellten, in fast beschwörendem Ton, »einen allerbesten Kaffee« und baten um die Erlaubnis, am Feuer Platz nehmen und unsere Garderobe stückweise trocknen zu dürfen. Und wirklich traten wir gleich danach in die große Küche mit dem Herd und dem Hängekessel ein. Der Rauchfang war mit allerlei kupfernem Geschirr, die roten Wände mit Fliegen bedeckt, und die jetzt brennend über dem Hause stehende Sonne drückte von Zeit zu Zeit den Rauch in die Küche hinab. Eine braune, weitbäuchige Kanne paradierte bereits auf dem Herd, und eine behäbige Alte, die (eine große Kaffeemühle zwischen den Knien) bis dahin mit wunderbarem Ernste die Kurbel gedreht hatte, stand jetzt von ihrem Schemel auf, um das braune Pulver in den Trichter zu schütten. Ebenso war die Magd mit dem Hängekessel zur Hand, und im nächsten Augenblick zischte das Wasser und trieb die Schaumblasen hoch über den Rand. Wir aber standen umher und sogen begierig den aromatischen Duft ein. Alles Frösteln war vorüber, und die Tasse mitsamt dem Herdfeuer vor uns, auf einem alten Binsenstuhl uns wiegend, plauderten wir vom Luch, als wären wir über den Kansasriver oder eine Prairie »far in the West« gefahren.