Paretz

Die Stätte, die ein guter Mensch betrat,
Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt
Sein Wort und seine Tat dem Enkel wieder.

Tasso

Von Ütz nach Paretz ist noch eine gute halbe Meile. An einem Sommernachmittag ein entzückender Spaziergang. Der Weg führt durch Wiesen rechts und links; der Heuduft dringt von den Feldern herüber und vor uns ein dünner, sonnendurchleuchteter Nebel zeigt die Stelle, wo die breite, buchten und seenreiche Havel fließt. Paretz selbst verbirgt sich bis zuletzt. Nun endlich wird der Weg ein aufgeschütteter Damm, an die Stelle der Obstbäume, die uns bisher begleiteten, treten hohe Pappeln, überall die spalierbildende Garde königlicher Schlösser, und alsbald über eine zierliche Brücke hinweg, die den Namen »Infantenbrücke« trägt,

Durchlass des Fließes an der Stelle der ehemaligen Infantenbrücke
Eichen gegenüber dem Schloß Paretz

beschreiten wir die Dorfstraße. Diese führt mitten durch den Park, macht eine Biegung, verbreitert sich, und – wir sind am Ziel: links das Schloß, ein langgestreckter, schmuckloser Parterrebau mit aufgesetztem niedrigen Stock, rechts eine Gruppe alter Eichen, und ihnen zur Seite die gotische Kirche des Dorfes.

Wir waren Vormittags in Paretz und der Sonnenstand paßte besser zur umgekehrten Blickrichtung. Daher sind unsere Ansichten entgegen des von Fontane beschriebenen Wegs.

Front des Schlosses paretz mit Rondell und dem heutigen Empfangspavillion

Über die Straße hin grüßen sich beide, in ihrer Erscheinung und in ihrem Eindruck so verschieden, wie die Zeiten, denen sie angehören. Die Poesie fällt der älteren Hälfte zu.

Kirche Paretz

Es ist um die fünfte Stunde. Eine Schwüle liegt in der Luft; selbst das Pappellaub, das immer plaudert, ist still; das Schloß blickt uns an, wie verwunschen; seine Läden sind geschlossen. Nur der Vorgarten, mit kleinen gezirkelten Beeten, hier mit Aurikeln, dort mit Reseda eingefaßt, liegt offen da.

Rondell vor dem Schloss Paretz mit eiligem Besuch

Wir treten ein. Der seltene Besuch hat Neugierige herbeigelockt, der Schloßdiener kommt, zuletzt er, der diesen Platz zu hüten hat, – der Hofgärtner. Er begrüßt uns. Erhitzt vom Marsch, sprechen wir den Wunsch aus, uns erst wieder frisch machen zu dürfen, ehe wir in die dumpfe Kühle des Schlosses eintreten. So nehmen wir denn Platz auf einer Sommerbank und plaudern.

Paretz ist alt-wendisch. Die Nachrichten sind sehr lückenhaft. Es gehörte ursprünglich zur Kirche von Ketzin, kam dann in den Besitz der Arnims und Dirikes, welch‘ letztere es 1658 an die Familie Blumenthal veräußerten. Die Blumenthals, später freiherrlich und gräflich, saßen hier in drei Generationen, bis Oberstleutnant Hans August von Blumenthal es 1795 an den damaligen Kronprinzen, späteren König Friedrich Wilhelm III., verkaufte. Es entsprach ganz den gestellten Bedingungen und Wünschen.

Paretz von 1796 bis 1806

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Paretz 20. Mai 1810

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Paretz von 1815 bis 1840

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Paretz seit 1840

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Das Schloß in Paretz

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Parkseite des Schlosses

Die Kirche

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Kirche Paretz

Der »Tempel

Die Kirche von Paretz ist ein Platz reicher Erinnerungen, aber Paretz hat der Erinnerungsplätze mehr. Speziell der Erinnerung geweiht ist der »Tempel«. Er befindet sich in einer verschwiegenen Ecke des Parks, wo dieser die Havel berührt,

Hier ist Fontane künstlerisch etwas sehr frei. Die tatsächliche Havel ist doch noch einige 100 m weiter südlich.

Fließ

und bildet einen Teil des an dieser Stelle künstlich aufgeworfenen Aussichtshügels,

Leider ist die ganze Tempelanlage verfallen und harrt der Wiederherstellung

Baustelle Grottenberg

der auf seiner Spitze ein japanisches Häuschen, auf seiner westlichen Seite eine Rokokogrotte

Die Grotte ist leider in den 70er Jahren verfüllt worden.

Tempelbaustelle Südwest

und nach Süden hin eben diesen »Tempel« trägt.

Tempelbaustelle Südost
Baustellentafel mit Eindruck des Japanischen Häuschens

Dieser Tempel, eine bloße Fassade, die auf halbversunkenen dorischen Säulen ruht und zunächst keinem anderen Zwecke gedient haben mochte, als Schutz gegen Regen und Sonne zu gewähren, scheint von Anfang an ein bevorzugter Platz gewesen zu sein, wie es auch in dem laubenreichsten Garten immer noch eine Lieblingslaube gibt, woran sich Leid und Freud des Hauses knüpfen: der erste Kuß, die stille Verlobung, Abschied und Wiedersehen.

Zu solchem Platze wuchs der Tempel heran, und der ziemlich nichtssagende Bau, der bei seiner Anlage nichts gewesen war, als eine Gärtnerlaune, ein Schnörkelornament, wurde zu einer Familienstätte, zu einem der Erinnerung geweihten Platz.

Dies geschah zuerst im Sommer 1797. Im Winter vorher, am 28. Dezember, war Prinz Ludwig gestorben, der Bruder, zugleich der Schwager Friedrich Wilhelms III., und an der[327] bevorzugten Plauderstelle wurde in den Stein geschrieben: »Er ist nicht mehr«.

Die Jahre gingen; so kam der Juli 1810. In der Parkgruft zu Charlottenburg senkte sich der Sarg der Königin; in die Tempelwand zu Paretz wurde eine graue Marmortafel eingelassen, die nunmehr die Inschrift empfing: »Gedenke der Abgeschiedenen.« Mehr und mehr erhob sich der Tempel zu einer Stätte des Familienkultus; in seiner Front, an eben der Stelle, wo die heimgegangene Königin so oft geruht hatte, wurde ein Friedensengel mit Kranz und Palmenzweig errichtet; der Tempel von Paretz war zu einem Vereinigungspunkt, fast zu einem Symbol geworden, das jedem Familiengliede das Beste bedeutete, was der Mensch hat: Liebe, Treue, Pietät. In diesem Sinne schrieb König Friedrich Wilhelm III. in seinem Testament: »Meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott…. Wenn dieser mein letzter Wille meinen innigst geliebten Kindern zu Gesicht kommen wird, bin ich nicht mehr unter ihnen und gehöre zu den Abgeschiedenen. Mögen sie dann bei dem Anblick der ihnen wohlbekannten Inschrift: ›Gedenke der Abgeschiedenen!‹ auch meiner liebevoll gedenken.«

Und sie gedenken seiner. Der 7. Juni, der Sterbetag des Königs, ist zu einem Gedächtnistag geworden, und kein Sohn oder Enkel betritt Paretz, ohne an die graue Marmortafel zu treten und freiwillig zu tun, woran ihn die Inschrift mahnt.

Der »tote Kirchhof«

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