Nedlitz

Fontane nennt das Kapitel 3.4 im Buch Havelland „Fahrland“, auch wenn er nur das Gebiet um Nedlitz beschreibt. Wir nehmen uns die Freiheit, unsere Seite entsprechend dem Inhalt zu benennen. Zu Fahrland kommen wir dann, wie Fontane auch, im folgenden Kapitel zu Fahrland.

Oh, wie warst du so schön, wenn die Fliegen der Stub‘ im September
Starben, und rot die Ebreschen am Hause des Jägers sich färbten;
Wenn die Reiher zur Flucht, im einsam schwirrenden Seerohr,
Ahnend den Sturm, sich versammelten.

Aus Schmidt von Werneuchens: Fahrland

Von Potsdam bis Fahrland ist eine gute Meile. Der Weg läuft in gerader Linie nordwärts und wendet sich erst ganz zuletzt gegen Westen.

Die erste halbe Meile, wenn man nicht das Glück hat, auf dem links hin sich dehnenden Exerzierfelde die Potsdamer Garden in Übung zu sehen, ist interesselos;

in Höhe des Dorfes Nedlitz aber ändert sich die Szene und wir treten, auf eine ganze Strecke hin, in ein durch Landschaft und Geschichte gleich bemerkenswertes Terrain ein. Nur schade, daß die Geschichte an der Grenze sagenhafter Vorzeit liegt und nur Vermutungen gestattet.

Die Nedlitzer Fähre

In Höhe von Nedlitz geben sich an einer Schmalung drei Seen ein Rendezvous; die Krampnitz, der Fahrlandsche- und der Jungfernsee treffen an einer Schmalung zusammen

Den Fahrlander See kann man heute, wie vermutlich auch damals von der Brücke aus nicht sehen. Nur der „Weiße See“ direkt neben der Brück mit der Passage des nach Fontanes Zeit entstandenen Sacrow-Paretzer Kanals ist zu sehen. Auf der Ostseite der Brücke ergibt sich aber ein sehr schöner Blick auf Krampnitz- und Jungefernsee.

und ein viaduktartiger Bau, mit Brückentoren und Brückenhaus, führt von einem Ufer zum andern.

Die Brücke ist heute zwar viel weniger imposant, als von Fontane angepriesen,

versucht aber mit den hervorgehobenen Pfeilern den Torcharakter der alten Brücke aufzunehmen.

Nedlitzer Nordbrücke vor 2002
Nedlitzer Nordbrücke vor 2002

Ein so stattliches Bild präsentierte sich hier nicht immer. Dies war vordem die bescheidene Wirkungsstätte der Nedlitzer Fähre. Jahrhundertelang fuhr hier ein schlichter Kahn über die Schmalung, erst von Vater und Sohn, dann vom Enkel und zuletzt vom Ur-Urenkel geführt. Immer desselben Namens. Die Nedlitzer Fährstelle war eine Erbstelle geworden. Schon im vorigen Säkulo war die Familie so angesehen, daß sich ihre Töchter nach Sanssouci hin mit Hofgärtnern und Hofbauräten vermählten. Die Fähr-Müllers von Nedlitz waren reiche Leute; in Bornstädt hatten sie ein Erbbegräbnis, das größte, was der Kirchhof bis diese Stunde noch aufzuweisen hat.

Die Fähre ist nicht mehr. An ihre Stelle ist die imposante Bogenbrücke getreten; aber noch im Ausscheiden aus ihrer alten dynastischen Herrlichkeit hielt das Glück bei den Müllers aus. Die Ablösungssumme entsprach nicht nur der Fähreinnahme, die sie aufgaben, sondern vielmehr noch der historischen Macht, die sie niederlegten. An das Haus Müller kamen liegende Gründe, Geld, zuletzt auch der Brückenpalast, der auf ihrem alten Territorium, wie als Wahrzeichen ihrer früheren Herrlichkeit, ihnen errichtet worden ist. Selten wohl hat eine Fährstelle im Leben und Sterben so gute Tage gesehen.

Der Fährpalast, mehrfach umgebaut stellt sich im Jahr 2018 als doch entwicklungsfähig dar.

Nedlitzer Brücke mit Brückenpalast

Der Königswall

Von der Mitte der Brücke aus hat man ein ansprechendes Bild in die genannten drei Wasserflächen und die zwischenliegende Landschaft hinein.

Nach rechts hin, wo die Krampnitz und der Jungfernsee ein Eck bilden, zieht sich dammartig ein Erdwerk zwischen Wald und Wasser. Dieses Erdwerk ist der Königswall, im Munde des Volks, wie all dergleichen primitive Festungswerke, die Römer- oder Räuber- oder Schwedenschanze geheißen.

Tatsächlich findet sich eine Römerschanze im Wald bei Sacrow, die auch tatsächlich von der Nedlitzer Brücke aus sichtbar sein könnte.

© OpenStreetMap-Mitwirkende

Den Königswall (oder Römerschanze) selbst kann man unter der Bewaldung von hier aus nicht erkennen.

Blick von der Nedlitzer Brücke in Richtung Krampnitzsee

Die PNN vom 21.8.2008 bestätigt das ebenfalls:

Die Römerschanze, auch Königswall oder Räuberschanze, bei Sacrow ist eine der ältesten Wehranlagen Europas. Die Bezeichnung Römerschanze ist irreführend, sie wurde vermutlich nie von einem Römer betreten. Die Wallburg befindet sich auf einem bewaldeten Geländesporn im heutigen Naturschutzgebiet „Königswald“, 19 Meter oberhalb des Ufers des Lehnitzsees, östlich der Nedlitzer Nordbrücke und südöstlich des Stinthornes. Eine erste Besiedlung des Platzes begann in der Hügelgräberbronzezeit und erstreckte sich kontinuierlich bis zum Ende der Hallstattzeit (ca. 1250 bis 550 vor Christus).

Weiter bei Fontane:

Ausdrücke, die historisch gar keinen Anhalt geben. Die Bezeichnung »Königswall« ist übrigens kaum besser.

Drei Seiten der Umwallung, welche sich zwanzig Fuß vom Boden erheben, sind mit geräumigen Eingängen versehen, von denen zwei dem Wasser, der dritte dem Lande zugewandt liegen.

Die vierte Seite des Walles – wahrscheinlich eine von der Natur gebildete Hügelwand – fällt aus einer Höhe von mindestens fünfzig Fuß steil zum Seeufer ab, und scheint auch darum keinen Zugang zu haben. Die ganze Umwallung, soweit sie künstlich ist, mißt siebenhundert Schritt, und muß viel Hände und viel Zeit erfordert haben. Es ist wohl unzweifelhaft ein alter Kamp, ein wendischer Lager- oder Verteidigungsplatz aus jenem Jahrhundert her, wo sich Christen- und Heidentum hier bekämpften. Die Deutschen hatten das Westhavelland inne; hier in dem Waldterrain des Osthavellandes, auf der »Insel Potsdam«, von allen Seiten her durch Fluß und See und Sumpf geschützt, saßen noch die Wenden. Hier hatten sie ihre letzten Stätten, ihre ausgedehntesten Begräbnisplätze; einzelne Striche sind mit Waffen und Totenurnen wie besäet.

Das Heinenholz und der Kirchberg

Eine kaum minder interessante Wegstrecke bildet das Gehölz, in das die Fahrlander Straße, unmittelbar nach Passierung der Brücke, einmündet. Dies Wäldchen führt den Namen des »Heinenholzes«

In marginal abgewandelter Schreibweise trägt das Wäldchen noch heute den selben Namen.

© OpenStreetMap-Mitwirkende

Heute führt ein Fahrrad- und Füßweg direkt in Richtung Neu Fahrland und anschließend in das Hainenholz und auf den Kirchberg.

und aus seiner Mitte hervor steigt der höchste Berg dieser Gegenden, der »Kirchberg«. Es verlohnt sich durchaus, ihn zu besteigen. Seine Höhe ist zweihundertundsiebzig Fuß.

Erläuterungstafel zum Kirchberg

Das landschaftliche Bild, das sich von seiner Kuppe aus dem Auge darstellt, ist sehr schön und würde noch schöner sein, wenn nicht die Bäume, die den oberen Abhang umstehen, mit ihren Kronen allmählich über die Kuppe des Berges hinausgewachsen und dadurch einem Umblick hinderlich geworden wären. Wo er sich indessen bietet, ist er von großem Reiz und dem Wald- und Wasserpanorama nah verwandt, das ein Blick von den Müggelbergen gewährt.

Dank lokaler Initiativen kann der Besucher heute die Aussicht sowohl in Richtung Fahrlander See als auch Jungfernsee und Potsdam genießen.

Wie der »Königswall« unten, so ist die »Kirchbergskuppe« hier oben ein ergiebiges Feld für die Konjekturalhistorie; wie jener als ein Kamp der Wenden, so wird dieser als eine Opferstätte bezeichnet. Sehr leicht möglich, aber sehr schwer nachweisbar! Was man jetzt noch auf der Kuppe des Kirchberges findet, deutet auf viel spätere Zeiten hin. Man begegnet Feldsteinfundamenten, dazu zerkrümelten Ziegel- und Mörtelresten, die, so gering sie sind, doch keinen Zweifel darüber lassen, daß hier ein Backsteinbau gestanden habe.

Auch wir finden noch Ziegel- und Mörtelreste. Ob die allerdings von der erwähnten Kirche stammen, darf bezweifelt werden. Statt dessen finden wir ein modernes Wasserreservoir auf dem Berg.

Auch ist es noch keine dreißig Jahre, daß hier, zehn Fuß hoch, ein Mauerwerk aufragte, das unverkennbar einem christlichen Gotteshause zugehörte. Es befand sich also hier, ganz wie auf dem Kapellenberge bei Blankensee, dessen Bautrümmer überhaupt sehr lehrreich sind, eine jener weit ins Land hinausschauenden, zugleich als Wegweiser dienenden kirchlichen Warten, die symbolisch von allem Umherliegenden Besitz nahmen und der Bevölkerung verkündeten: »So weit diese Kapelle blickt, ist alles dem Christengotte untertan.« So war es unmittelbar nach der Christianisierung. Später wurden Pilgerstationen und Wallfahrtskapellen daraus, die, in der Spätgotik, die sie unverkennbar zeigen, einer verhältnismäßig neuen Zeit, oft erst, wie die Blankenseer Kapelle, dem Schluß des fünfzehnten Jahrhunderts angehören mögen. Denn die gotische Bauweise hielt sich in der Mark bis in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hinein.

Statt vom Kirchberg direkt wieder in Richtung Nedlitz zurück  zu laufen, bietet sich ein Spaziergang hinunter zum Fahrlander See und durch den Ort Neu Fahrland an.