Marquardt

Des Hofes Glanz und Schimmer
Blinkt nur wie faules Holz,
Die Kirche lebt vom Flimmer
Und wird vor Demut stolz;
Arm sind des Lebens Feste
Rings abgestandner Wein,
Das Höchste und das Beste,
Wie niedrig und wie klein.

Walter Raleigh

Eine Meile hinter Bornstädt liegt Marquardt, ein altwendisches Dorf, ebenso anziehend durch seine Lage, wie seine Geschichte. Wir passieren Bornim, durchschneiden den »Königsdamm« und münden unmerklich aus der Chaussee in die Dorfstraße ein, zu deren Linken ein prächtiger Park bis an die Wublitz und die breiten Flächen des Schlänitzsees sich ausdehnt.

Die gegenwärtige Gestalt von Marquardt, ebenso wie sein Name, ist noch jung; in alten Zeiten hieß es Schorin. Im fünfzehnten Jahrhundert, und weiter zurück, war es im Besitz zweier Familien; die eine davon nannte sich nach dem Dorfe selbst (Zabel von Schorin 1375), die andere waren die Bammes. Der Besitz wechselte oft; die Brösickes, Hellenbrechts und Wartenbergs lösten einander ab, bis 1704 der Etatsminister und Schloßhauptmann Marquardt Ludwig von Printzen das reizende Schorin vom Könige zum Geschenk, und das Geschenk selber, dem Minister zu Ehren, den Namen Marquardt erhielt.

[…]

Herr von Damnitz blieb nur bis 1860. Herr Tholuck, ein Neffe des berühmten Hallenser Theologen, folgte. In ihm war dem devastierten Gute endlich wieder ein Wirt gegeben, eine feste und eine geschickte Hand. Die erste seit dem Tode des älteren Bischofswerder (1803). Ein Geist der Ordnung zog wieder ein. Der Park klärte sich auf, das alte Schloß gewann wieder wohnlichere Gestalt und an der Stelle verfallender oder wirklich schon zerbröckelter Wirtschaftsgebäude erhoben sich wieder Ställe und Scheunen, alles sauber, glau, fest. Marquardt war wieder ein schöner Besitz geworden.

Was wir heute sehen können ist allerdings erst nach 1892 entstanden.

Ortsgeschichte

Das Herrenhaus inklusive der meisten Nebengebäude ist in schlechtem Zustand und nicht allgemein zugänglich.

Ein Nebengebäude ist augenscheinlich richtig saniert.

Wir treten jetzt in ihn ein.

Der prächtige, zwanzig Morgen große Park nimmt uns auf. Er ist, in seiner gegenwärtigen Gestalt, im wesentlichen eine Schöpfung des Günstling-Generals.

Wie wir auf der Tafel zur Ortsgeschichte gelernt haben, ist auch der Park heute anders und größer als zu Fontanes Zeiten.

Seine Lage ist prächtig; in mehreren Terrassen, wie schon zu Eingang dieses Kapitels angedeutet, steigt er zu dem breiten, sonnenbeschienenen Schlänitzsee nieder, an dessen Ufern, nach Süden und Südwesten hin, die Kirchtürme benachbarter Dörfer sichtbar werden. Mit der Schönheit seiner Lage wetteifert die Schönheit der alten Bäume: Akazien und Linden, Platanen und Ahorn, zwischen die sich grüne Rasenflächen und Gruppen von Tannen und Weymouths-Kiefern einschieben.

In der Nähe des Herrenhauses steht eine mächtige Kastanie in vollem Blütenflor. Sie ist wie ein Riesenbukett; die weitausgestreckten Zweige neigen sich bis zur Erde. Es ist dies der Baum, der am Tauftage des Sohnes und Erben, in Gegenwart des Königs gepflanzt wurde. Die Familie erlosch, der Baum gedieh.

Welche Kastanie Fontane hier gemeint hat ist schwer herauszufinden. Entsprechende Bäume auch imposanter Größe finden sich ausreichend.

In der Nähe dieses Baumes, auf einem Grasrondell, steht ein leichtes österreichisches Feldgeschütz, wie jedes Bataillon in alten Tagen eins aufzuweisen hatte. Es wurde in einer der Schlachten des Siebenjährigen Krieges von den Preußen genommen. Friedrich II. schenkte es dem Grafen Pinto auf Mettkau; durch dessen Witwe, »die Gräfin«, kam es nach Marquardt. An gewissen Tagen wird ein Schuß daraus abgefeuert. Jedesmal vorm Laden schüttet der Gärtner Pulver ins Zündloch und zündet es an, um das Geschütz auszubrennen. Als es das letzte Mal geschah, flogen, zu heiterer Überraschung aller Umstehenden, nicht nur Eierschalen aus der Mündung heraus, sondern mit den Eierschalen zugleich ein halbverbranntes Wiesel, das in dem Kanonenrohr Quartier genommen und von hier aus den Hühnerstall geplündert hatte.

An [dem Baum] vorbei treten wir in das Herrenhaus.

Es ist ein relativ neuer Bau. 1791 legte ein rasch um sich greifendes Feuer das halbe Dorf in Asche, auch das »Schloß« brannte aus; nur die Umfassungsmauern blieben stehen. Das Herrenhaus, wie es sich jetzt präsentiert, ist also nur achtzig Jahre alt. Es macht indessen einen viel älteren Eindruck, zum Teil wohl, weil ganze Wandflächen mit Efeu überwachsen sind. Aber das ist es nicht allein. Auch da, wo der moderne Mörtel unverkennbar sichtbar wird, ist es, als blickten die alten Mauern, die 1791 ihre Feuerprobe bestanden, durch das neue Kleid hindurch.

Noch einige Ansichten des Schlosses

Die innere Einrichtung bietet nichts Besonderes; hier und dort begegnet man noch einem zurückgebliebenen Stück aus der »historischen Zeit«: Möbel aus den Tagen des ersten Empire, Büsten, Bilder, englische und französische Stiche. Das baulich Interessanteste ist die doppelte Kelleranlage, die dem französischen Chasseur so verderblich wurde; man blickt die Stufen hinunter wie in einen Schacht. In den oberen Geschossen schieben sich Treppen und Verschläge, Schrägbalken und Rauchfänge bunt durcheinander und schaffen eine Lokalität, wie sie nicht besser gedacht werden kann für ein Herrenhaus, »drin es umgeht«.

Wir dürfen hier heute nicht hinein.

Die Sonne geht nieder; zwischen den Platanen des Parkes schimmert es wie Gold; das ist die beste Zeit zu einem Gange am »Schlänitz« hin.

Am Schlänitzsee residiert heute der Anglerverein.

Unser Weg, in Schlängellinien, führt uns zunächst an der Gruft, dann an der Geistergrotte, an den beiden historischen Punkten des Parkes, vorbei. Die Gruft ist wie ein großes Gartenbeet, ein mit Efeu und Verbenen überwachsenes Rondell; nur das griechische Kreuz in der Mitte, das die ursprüngliche Urne ablöste, deutet auf die Bestimmung des Platzes.

Weiterhin liegt die Grotte. Der Aufgang zu ihr ist mit den blauen Schlacken eingefaßt, die einst mosaikartig das ganze Innere des Baues ausfüllten. Jetzt ist dieser, weil er den Einsturz drohte, offengelegt. Durch ein Versehen (der Besitzer war abwesend) wurde bei dieser Gelegenheit die Innenmauer niedergerissen und dadurch der sichtbare Beweis zerstört, daß diese Grotte eine doppelte Wand und zwischen den Wänden einen mannsbreiten Gang hatte. Nur die äußeren Mauern, mit Ausnahme der Frontwand, sind stehengeblieben und schieben sich in den Akazienhügel ein. Strauchwerk zieht sich jetzt darüber hin.

Spuren der Grotte konnten wir nicht finden. Sie wurde lt. ⇒ Auf Fontanes Spuren in Marquardt vermutlich abgerissen.

Nun stehen wir am Schlänitzsee, über der Kirche von Phöben hängt der Sonnenball; ein roter Streifen schießt über die leis gekräuselte Fläche. Der Abendwind wird wach; ein leises Frösteln überläuft uns; an Grotte und Gruft vorbei, kehren wir in das alte Herrenhaus zurück.

Hier ist Dämmerung schon. Es ist die Minute, wo das Licht des Tages erloschen und das Licht des Hauses noch nicht gezündet ist. Wir stehen allein; dort sind die Stufen, die in Souterrain und Keller führen; im Dunkel steigt es draus herauf. Im Hause alles still. In der Ferne klappt eine Tür, eine zweite, eine dritte; jetzt ist es, als würd‘ es dunkler; es rauscht vorbei, es schlurrt vorüber. Die alte »Gräfin« geht um.